Ein Kaffee mit Urs Raschle, Stadtrat, Departementsvorsteher Soziales, Umwelt und Sicherheit Stadt Zug
Ich treffe Urs Raschle in Zug nicht weit des Verwaltungsgebäudes, in welchem er arbeitet.
Es ist schon früher Abend und mit einem Lächeln gibt er mir zu verstehen, dass er in einer Stunde nochmals an ein Meeting muss. Also nicht lange fackeln, Aufnahmegerät anstellen und in die Welt des Urs Raschle eintauchen.
Freundlich wartet der grossgewachsene Stadtrat auf meine erste Frage und beugt sich aufmerksam vor.
Du bist ein Zuger durch und durch. Was fasziniert dich an diesem Kanton und der Stadt Zug? Hast du einen Lieblingsplatz?
Mein Lieblingsplatz in Zug ist die Guggiwiese hinter dem Postplatz. Von dort geniesst man eine schöne Aussicht auf die Altstadt und wenn man sich umdreht, bekommt man auch einen Eindruck vom modernen Zug.
An Zug fasziniert mich das Vielseitige: Es ist für mich ein hübscher Ort, schön gelegen mit dem See und dem Blick auf die Berge. Zug ist aber auch ein spannender Ort: Wir haben traditionelle Veranstaltungen, wie zum Beispiel den Stierenmarkt oder auch das Schwingfest, bei dem Zug ja Gastgeberin war. Gleichzeitig ist Zug sehr innovativ und besonders in Zug-Nord spüre ich auch eine grosse Multikulturalität. Ich bewege mich sehr gerne zwischen Tradition und Moderne. Und nicht zu Letzt ist Zug meine Heimat, denn ich bin hier aufgewachsen.
„Aus meiner Sicht ist die grösste ‚Integrationsmaschinerie‘ der EVZ. Beim Sport gibt es keine Unterschiede zwischen den Nationen.“ (Urs Raschle)
Ich nehme Zug als Melting-Pot wahr, wo alteingesessene Zuger mit Menschen aus aller Welt zusammenleben. Wie ist deine Sicht auf dieses Nebeneinander? Was wird für die rasche Integration unternommen?
Das ist eine grosse politische Herausforderung: Wir müssen einerseits verstehen, was die Bedürfnisse der Ur-Zuger sind und andererseits, was die Bedürfnisse der Neuzuzüger sind und was wir unternehmen können, damit diese sich auch als Zuger fühlen. Aus meiner Sicht ist die grösste „Integrationsmaschinerie“ der EVZ. Beim Sport gibt es keine Unterschiede zwischen den Nationen – schiesst der EV Zug ein Goal, jubeln im Stadion bis zu 7’000 Fans, unabhängig ihrer Nationalität. Ein gewaltiges Gefühl!
Politisch unternehmen wir jedoch auch sehr viel, damit die Integration gelingt. Wir haben eine Fachstelle, die sich der Migration annimmt. Diese wird von der Stadt, den Gemeinden und dem Kanton finanziert. Neuzuzüger erhalten von dort per Post ein umfangreiches Informationspaket, in welchem sie über das Leben in Zug pragmatisch und umfassend willkommen geheissen werden. Es werden auch persönliche Gesprächsstunden angeboten, falls es vertieften Informationswunsch gibt.
Darf ich hier kurz nachfassen: Bei den genannten Integrationsbemühungen meinst du aber nicht, dass es sich auch um die Expat-Vereinigungen handelt, sondern explizit um Bemühungen seitens Stadt, Gemeinde und Kanton? Verstehe ich dich richtig, dass ihr ein Gegensteuer zu Expat-Communities setzen wollt, damit nicht die Gefahr einer Ausgrenzung und Rückzug in den eigenen Kulturkreis besteht?
Ja, genau. Unsere Bestrebungen gehen dahin, dass wir eine Integration mit der einheimischen Bevölkerung erreichen wollen. Es gibt zwar die Expat-Clubs und Vereine; aber ich bin froh, dass es keine Expat-Ghettos gibt. Trotzdem gibt es durchaus Quartiere, von denen wir wissen, dass dort sehr viele Expats oder Ausländer wohnhaft sind. In Zug-West, zum Beispiel, haben wir grössere Anstrengungen unternommen, um dort einen Quartierverein zu etablieren.
„Wichtig ist mir, dass wir unsere Integrationsbemühungen nicht nur auf die Expats ausrichten, sondern auf alle ausländischen Zuzüger.“ (Urs Raschle)
Wir haben eine Quartier-Box aufgestellt, wo sich die Bewohner treffen können, sich bei selbergebackenem Kuchen und Kaffee austauschen und die Kinder miteinander spielen können. Wichtig ist mir, dass wir unsere Integrationsbemühungen nicht nur auf die Expats ausrichten, sondern auf alle ausländischen Zuzüger.
In meinem Departement sind zudem Deutschkurse für Ausländer ein wichtiger Angebotsbestandteil. Diese Kurse werden teilweise bereits in den Kitas sowie im Vorschulalter angeboten, und wir haben extra die Firma „Wunderfitz & Redeblitz“ für dieses Angebot engagiert. Sie gehen mit Sprechpuppen zu den Kindern und vermitteln auf spielerische Art und Weise die Deutsche Sprache. Die Kurse sind derart erfolgreich, dass wir sogar die Eltern mit einbeziehen und die Kurse ebenfalls an Schulen anbieten. Das ist zwar für die Stadt Zug nicht ganz günstig; ich habe aber dieses Programm bereits zweimal problemlos durchs Parlament gebracht, da ich die Wichtigkeit und Notwendigkeit aufzeigen konnte, da Integration ja auch über die Sprache erfolgt.
Zudem gibt es einen so genannten Neuzuzüger-Anlass, der zweimal pro Jahr im Casino Zug durchgeführt wird. Dort zeigen wir verschiedene Präsentationen über die Stadt Zug, deren Geschichte und Vereine. Der Anlass wir auf Deutsch und Englisch durchgeführt und schliesst mit einem geselligen Apéro.
Du bist seit 2014 Stadtrat von Zug und stehst dem Departement Soziales, Umwelt und Sicherheit vor. Auf meiner Website sowie meinem Blog thematisiere ich stark Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsfragen. Was unternimmt die Stadt Zug konkret, um diesen Themen gerecht zu werden?
Viel! Zug darf sich „Energie Stadt Gold“ nennen. Energie Stadt ist ein Verein von über 400 Schweizer Gemeinden, die bereits seit 30 Jahren Energiepolitik sinnvoll betreiben. Es gibt hierzu ein Raster mit 56 Massnahmen und jede Stadt, die mitmacht, reiht sich aufgrund ihrer Anstrengungen und Bestrebungen in dieses europäische Raster ein.
„Die Stadt Zug ist als erste Schweizer Stadt mit dem Umwelt- und Energie-Label ISO 50-1001 zertifiziert worden.“ (Urs Raschle)
Erreicht man 75% und mehr, darf man sich „Energie Stadt Gold“ nennen. Zug gehört mit 83% zur Spitze. Ich gehöre da auch dem nationalen Vorstand an und vertrete mit viel Leidenschaft und Engagement unsere Zuger Anliegen in Bern.
Die Stadt Zug ist zudem als erste Schweizer Stadt mit dem Umwelt- und Energie-Label ISO 50-1001 zertifiziert worden. Diese erlaubt einen umfassenden Blick auf städtische Massnahmen in Bezug auf Energie- und Umweltschutzthemen. Wir haben eine digitale Matrix entworfen, aus der wir rasch entnehmen können, wie und wo sich die Stadt Zug energietechnisch bewegt. Wir gelten hier als Vorreiter.
Auch hier erlaube ich mir eine Zusatzfrage: Wie habt ihr konkret Private und Firmen von eurem Umweltkonzept nebst der ISO-Zertifizierung motivieren können? Ich meine hier z.B. Energiesparmassnahmen oder Bauweisen auf neuster Technik.
Was ich oben ausgeführt habe, bezieht sich auf unsere Verwaltungssicht. Mit dem Energie-Stadt-Label laden wir immer wieder Firmen und Bauherren ein und versuchen dieser Zielgruppe aufzuzeigen, dass es sinnvoll ist, nachhaltig zu bauen. Die grösste Hebelwirkung erzielen wir jedoch über so genannte Bebauungspläne. In der Stadt Zug kannst du nicht einfach so ein Haus bauen. Du musst einen Bebauungsplan ausfertigen und dort ist ganz klar definiert, was für ein Haus du bauen darfst. Hier werden zum Beispiel Umweltstandards nach ISO geltend gemacht, die der Bauherr oder die Bauherrin beachten muss. Diese Vorschriften gelten sowohl für Firmen als auch für private Bauherren.
„Das Projekt „Circulago“ wird Zug auch weiterhelfen die vom Volk abgesegneten Ziele der ‚2000 Watt-Gesellschaft‘ zu erreichen.“ (Urs Raschle)
Und ganz wichtig hervorzuheben ist unser Jahrhundert-Projekt „Circulago“. Wir haben eine Seewasserleitung gebaut, die rund 60 Meter in den Zugersee hineinragt und mittelfristig ganz Zug wärmen und kühlen soll. Das ist wohl die weltweit erste Wasserleitung in dieser Dimension, die diese Leistung erbringen mag. Dieses Projekt hat uns rund 1.5 Jahre Bauzeit gekostet. Im Bereich „Hafen“ gibt es zukünftig ein gewaltiges Pumpwerk, das Zug versorgt. Jetzt im Herbst werden die Bauarbeiten abgeschlossen sein und die WWZ wird dann Zugänge verkaufen. Das Projekt „Circulago“ wird Zug auch weiterhelfen die vom Volk abgesegneten Ziele der „2000 Watt-Gesellschaft “ zu erreichen. Also auch hier machen wir zukünftig nochmals einen grossen Sprung in eine umweltfreundliche Energieversorgung.
Weiter präsidiere ich die Energiekommission, die einmal pro Monat zusammenkommt. Wir beraten dann jeweils, welcher Privathaushalt eine Fördergeldsumme für Umbauten, zum Beispiel Fotovoltaik, gesprochen bekommt. Wir unterstützen meines Erachtens sehr viele Umbauprojekte – jährlich sprechen wir eine Summe von CHF 400’000.
„Wir möchten uns an den Zielen der UNO orientieren – den sogenannten 17 Sustainable Development Goals.“ (Urs Raschle)
Zudem stehe ich der Nachhaltigkeitskommission vor, die jedoch momentan etwas unter Druck ist, da man sich nicht ganz einig ist, wie Nachhaltigkeit genau einzugrenzen und zu definieren ist. Ich bin aber optimistisch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir möchten uns an den Zielen der UNO orientieren – den sogenannten 17 Sustainable Development Goals. Anhand dieser 17 Ziele haben wir eine erste Auslegeordnung vorgenommen und uns angeschaut, wo wir momentan stehen und wo wir für die Stadt Zug noch Verbesserungspotenzial erkennen.
Aus aktuellem Anlass haben wir zudem Klimaaktivisten in die Kommission eingeladen und den Dialog mit ihnen gesucht. Wir sind vorbereitet auf die Klimadiskussion! Zudem verspürt man auch klar die Bereitschaft aus der Gesellschaft etwas für die Umwelt und die Nachhaltigkeit zu tun.
Ein weiteres Kernthema ist für mich die Gleichstellung von Mann und Frau. Ich habe gesehen, dass du Präsident der Aufsichtskommission für familienergänzende Kinderbetreuung bist. Werden die Betreuungsplätze ausgebaut, damit beide Elternteile den Spagat zwischen Familie und Beruf einfacher schaffen und die Standortattraktivität für Familien steigt? Welchen Trend erkennst du?
Da gibt es in der Tat ein sehr starkes Commitment vom Stadtrat, das wir fördern wollen. Aber wir vom Stadtrat vertreten die Auffassung, dass nicht der Staat verantwortlich sein soll, sondern die Privaten. Wir verzeichnen gegenwärtig einen enormen Anstieg neugegründeter Kitas – und Auftrag meiner Kommission ist es, dass ich die Qualität der Kitas sicherstelle bzw. diese kontrolliere. Wichtig ist, dass Fachpersonen angestellt werden. Kitas sind ein regelrechtes Business in Zug geworden, was nicht nur positiv ist.
„Viele Privatpersonen stellen sich das Kita-Business meines Erachtens zu einfach, ja gar hobby-mässig vor.“ (Urs Raschle)
Ich war schon an Sitzungen, wo vorrangig über Zahlen und Fakten gesprochen wurde und ich mich dann jeweils frage, wo denn das Kindswohl bleibt. Viele Privatpersonen stellen sich das Kita-Business meines Erachtens zu einfach, ja gar hobby-mässig vor. Es bedarf eines soliden ökonomischen Verständnisses, definierten Qualitätsstandards sowie gutem Fachpersonal, damit das Wohl des Kindes immer gewährleistet ist. Ich habe meine beiden Kinder zum Beispiel nicht in einer Kita. Meine Frau und ich haben das Glück, dass wir auf unsere Eltern zählen dürfen und eben, wie oben aufgeführt, sehe ich in meiner Funktion als Stadtrat in zu viele Details – vielleicht eine „Deformation professionelle“.
Die abschliessenden Worte möchte ich gerne dir geben. Was würdest du meinen Lesern gerne ans Herz legen?
Ein Besuch in Zug lohnt sich immer!
Ich danke dir ganz herzlich für das spannende und informative Gespräch!
Zur Person
Urs Raschle
Stadt Zug
Stadtrat & Departementsvorsteher Soziales, Umwelt und Sicherheit Stadt Zug
Zug
Interessante Links
Was ist eine Energiestadt?
Projekt Circulago
Fachartikel Aqua & Gas Nr. 2 (2018) Th. Tschan & R. Wats, WWZ Energie AG
Die 17 Sustainable Development Goals der UNO
Bildquellen
Bild 1 Wasserwerke Zug (www.wwz.ch)
Bild 2 Fachartikel Aqua & Gas (2018), Nr. 2, Th. Tschan & R. Wats (www.thermdis.eawag.ch)
Bild 3 Stadt Zug, Fachartikel Aqua & Gas Nr. 2, 2018 (www.stadtzug.ch)
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