Ein Kaffee mit Jeanine Glarner, FDP Gross- und Gemeinderätin sowie Regierungsratskandidatin Kanton Aargau
Ich treffe Jeanine Glarner in Lenzburg an einem sonnigen Spätnachmittag im September. Das Café Bärli in der herzigen Innenstadt von Lenzburg ist um diese Zeit nicht mehr stark frequentiert.
Freundlich begrüsst mich die FDP Gross- und Gemeinderätin und meint mit einem Lächeln, „Ich bin Jeanine, ist glaube ich unkomplizierter.“
Erfreut nehme ich gegenüber dieser beeindruckenden Person Platz und schalte mein Aufnahmegerät ein.
Du bist im beschaulichen Wildegg aufgewachsen und lebst immer noch dort. Vielen ist vielleicht das wunderschöne Schloss Wildegg bekannt. Wie würdest du mit deinen Worten dieses herzige Dorf beschreiben? Und was hält dich dort?
Ja, ich bin in Wildegg aufgewachsen und habe auch bis zur Bezirksschule meine gesamte Schulzeit dort absolviert. Wildegg liegt im Herzen vom Aargau und ist für mich perfekt gelegen. Mit dem Zug bin ich in einer Stunde in Zürich, Basel, Bern und Luzern. Und trotzdem lebe ich ländlich, im Grünen und an der Aare. Zudem bietet Wildegg gute Einkaufsmöglichkeiten. Kurzum: Wir haben einfach alles in Wildegg, um ein gutes Leben zu führen und trotzdem ist man rasch mit der Arbeitswelt verbunden.
Du bist neben deiner politischen Arbeit, einer beeindruckenden Anzahl von Mitgliedschaften auch in der Privatwirtschaft tätig. Wie jonglierst du so viele Bälle gleichzeitig? Gibt es nicht auch Zielkonflikte – du kannst dich ja nicht teilen?
Es ist für mich eine reine Organisationsache: ich arbeite in einem 80% Pensum. Ich bin Gross- und Gemeinderätin und bin zusätzlich noch in verschiedenen Stiftungen und Vereinen im Vorstand tätig.
„Wenn ich meine Mitarbeit zusage, dann möchte ich es richtig machen und nicht nur, um einfach dabei zu sein.“ (Jeanine Glarner)
Ich musste lernen auch einmal nein zu sagen, wenn ich für zusätzliche Mitgliedschaften angefragt wurde. Wenn ich meine Mitarbeit zusage, dann möchte ich es richtig machen und nicht nur, um einfach dabei zu sein.
Also hat auch eine Jeanine Glarner noch Freizeit?
Die gibt es zwar schon – aber seit ich Gemeinderätin bin, ist sie etwas weniger geworden. Aber doch ja, Freizeit habe ich durchaus noch.
„Energie und Gesundheit haben etwas gemeinsam: es handelt sich um hoch komplexe Bereiche und beide Bereiche sind zudem heillos überreguliert.“ (Jeanine Glarner)
Auf deiner Website jeanine-glarner.ch sagst du selbst, dass deine politischen Wirkungsfelder sehr breit aufgestellt sind. Ich nenne hier Energie, Mobilität, Umwelt & Klima und Gesundheit. Ich persönlich würde sagen, dass alle vier Themen für sich riesig sind; aber auch wichtige Schnittstellen haben. Wo siehst du die Synergien dieser Themen? Gibt es unter Umständen auch konfliktäre Themen – ich denke an den Ausbau der Mobilität, der zwangsläufig auf Kosten der Umwelt geht?
Energie und Gesundheit sind mit Sicherheit die beiden Themen, die mir am meisten zusagen. Ich war früher in der Energiebranche tätig und bin jetzt in der Gesundheitsbranche. Somit habe ich vertiefte Kenntnisse in beiden Bereichen und setze mich entsprechend eng mit der Thematik auseinander. Die anderen Themen behandle ich im Rahmen meiner Tätigkeit im Grossen Rat; entsprechend setzt sich somit das Gesamtbild dieses Themenspektrums zusammen. Energie und Gesundheit haben etwas gemeinsam: es handelt sich um hoch komplexe Bereiche und beide Bereiche sind zudem heillos überreguliert; ansonsten weisen sie nicht viel Parallelen auf.
Nichtsdestotrotz sind es eben genau diese komplexen Sachverhalte, die mich reizen. Ich mag Herausforderungen sehr!
In der Politik ist es naturgemäss so, dass ein Thema immer verschiedene Aspekte tangiert – ich nenne hier ökologische, soziale, wirtschaftliche und juristische Aspekte. Je nachdem beschneidet der eine Aspekt den anderen; hier besteht die Kunst, dass man innerhalb der Politik eine Balance zwischen allen Aspekten herstellen kann. Darum ist es auch sehr schwierig Maximallösungen durchzusetzen; denn man kann z.B. nicht immer alles aus juristischer oder aus sozialer Sicht anschauen; es ist immer ein Zusammenspiel. Und genau das ist das Spannende an der politischen Arbeit.
Darf ich hier nachfragen: du hast gerade gesagt, dass es fast unmöglich ist Maximallösungen anzustreben und dass man Abwägungen zwischen den verschiedenen Aspekten treffen muss. Wie wägst du bei einem Sachverhalt ab? Wie findest du deinen Weitblick?
Das ist eine gute Frage. Ich gehe eigentlich immer mit meinen Grundwerten an eine Fragestellung heran. Ein wichtiger Grundwert heisst zum Beispiel, möglichst wenig zu regulieren. Wenn ich an ein Problem herantrete, möchte ich wie gesagt möglichst wenig eingreifen.
„Möglichst wenig regulieren, möglichst wenig Gesetze aber dort, wo es gezielt Massnahmen benötigt, diese mit zu tragen.“ (Jeanine Glarner)
Doch wenn ich sehe, dass es gewisse Vorgaben benötigt, damit zum Beispiel die soziale Verträglichkeit berücksichtigt ist und Menschen nicht „durch die Masche fallen“ oder dass ein Thema eine gewisse Lenkung benötigt, beispielsweise beim Klimawandel, wo der einzelne Mensch sich noch immer nicht wunschgemäss verhält, dann bin ich durchaus bereit, gewisse Konzessionen einzugehen. Also zusammengefasst: möglichst wenig regulieren, möglichst wenig Gesetze aber dort, wo es gezielt Massnahmen benötigt, diese mit zu tragen.
Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz sowie Gleichstellung liegen mir am Herzen und ich fokussiere in meinen Blogbeiträgen stark darauf. Was konkret macht der Kanton Aargau im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz? Setzt du dich als Frau auch aktiv für Gleichstellung ein? Wenn ja, welche Ideen hast du?
Der Kanton Aargau hat bereits sehr früh drei Strategien aufgestellt: Energiestrategie, Mobilitätsstrategie und Umwelt. Es gibt verschiedene Naturschutzprogramme, die bereits eine sehr gute Wirkung gezeigt haben. Hier wird besonders die Biodiversität gefördert. Zudem gibt es ein Programm Wald, denn wir wissen ja, dass der Wald der grösste CO2-Speicher ist und somit für den Klimaschutz eine ganz wichtige Massnahme darstellt.
„Der Aargau ist der erste Kanton, der Auenschutz gefördert und dies in der Verfassung festgehalten hat.“ (Jeanine Glarner)
Der Kanton versucht dort zu fördern, wo er am besten wirken kann, also zum Beispiel Biodiversitätsflächen fördern oder die Renaturierung von Gewässern ermöglichen. Der Aargau ist der erste Kanton, der Auenschutz gefördert und dies in der Verfassung festgehalten hat. Also eine ganz konkrete und verbindliche Massnahme. Das Klimathema gehört meines Erachtens primär auf Bundesebene behandelt; und zwar dort mit den entsprechenden Instrumenten – ich nenne das CO2-Gesetz. Das, was konkret vor Ort umgesetzt werden kann, gehört somit auf Kantonsebene.
Um auf deine Frage zum Gleichstellungsthema einzugehen: Gleichstellung ist für mich selbstverständlich. Das muss einfach sein. Ich bin der Meinung, dass wir auf einem guten Weg sind. Wenn ich mir die jungen Männer in meinem Alter anschaue, dann gehen sie auch selbstverständlich mit dem Thema Gleichstellung um – für sie ist es normal, dass eine Frau arbeiten geht und eben nicht zuhause ist und den Haushalt schmeisst. Es braucht vielleicht noch etwas mehr Zeit, bis das Thema vollumfänglich in der Gesellschaft angekommen und in den Köpfen der Menschen verankert ist.
„Gleichstellung ist für mich selbstverständlich.“ (Jeanine Glarner)
Politisch könnte ich mir hingegen vorstellen, dass man durchaus noch etwas mehr Anreize schaffen kann, um das Gleichstellungsthema zu fördern. Viele Instrumente wurden beispielsweise in den 1960iger Jahren lanciert und basieren folglich auf einem völlig veralteten Familienbild. Ich nenne hier AHV und Ehepaarrente – aus Sicht von heute meiner Meinung nach komplett veraltet. Witwenrente, BVG mit dem Koordinationsabzug mit den heutigen Teilzeitpensen, ein Instrument, das Frauen klar diskriminiert. Dies müsste dringend abgeschafft werden oder, wie es einige Arbeitgeber bereits umsetzen, diese Instrumente auf Teilzeitpensen angleichen.
Gehen wir weiter zum Thema Steuern: Ehepaarbesteuerung ist etwas komplett veraltetes; dort bin ich für die Individualbesteuerung. In all diesen Themen wünsche ich mir, dass ich der Gleichstellung noch etwas Schub geben kann.
Das letzte Wort würde ich gerne dir überlassen. Was möchtest du meiner Leserschaft basierend auf unseren Themen mitteilen?
Meine persönliche Botschaft möchte ich gerne wie folgt formulieren: Bevor man anderen Menschen etwas vorschreibt, sollte man immer zuerst bei sich selber ansetzten – was ist eigentlich mein eigener Beitrag? Wenn ich beispielsweise das Thema Nachhaltigkeit beleuchte, sollte ich mich immer fragen, kaufe ich selber regionale Produkte, muss ich im Winter wirklich Erdbeeren konsumieren? Oder weitergedacht, muss ich wirklich immer für ein verlängertes Wochenende in die Ferne fliegen? Wenn man diese und andere Fragen für sich selber ehrlich beantwortet hat – und zwar nicht nur zum Thema Nachhaltigkeit – sollte man sich entsprechend vorbildlich verhalten.
Ich bedanke mich herzlich für deine Zeit und deine aufschlussreichen sowie spannenden Antworten.
Zur Person
Jeanine Glarner
FDP Gross- und Gemeinderätin
Regierungsratskandidatin Kanton Aargau
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