Ein virtueller Kaffee mit Thomas Wälti, Botschafter AVC Schweiz
Die Wege von Thomas und mir haben sich beruflich gekreuzt. Ich habe Thomas als einen äusserst engagierten, grossherzigen Menschen kennenlernen dürfen und während eines unserer inspirativen Gespräche erfahren, dass er sich ehrenamtlich für AVC Schweiz, Verein «Aktion für verfolgte Christen und Notleidende», engagiert und vielfältige Freiwilligenarbeit leistet.
Um sich einmal selbst ein Bild vor Ort zu machen, wie die verpackten Hilfsgüter bei bedürftigen Menschen ankommen, ist Thomas im Winter 2019 mit seiner Tochter nach Moldawien gereist und hat geholfen Weihnachtspäckli zu verteilen.
Lest im Interview, welche Erfahrungen er gemacht hat und wie ihn die Lage der Bedürftigen in Moldawien nachhaltig geprägt hat.
Welches Ereignis hat dich dazu bewogen Freiwilligenarbeit zu leisten und warum AVC Schweiz?
Irgendwann im Teenageralter startete bei mir der Wunsch des Helfenwollens. Zuerst waren es die gefühlt 1’000 Einsätze, an denen ich meinen Freunden beim Umziehen geholfen habe. Du musst wissen, wir waren eine sehr grosse Clique, und da gab es immer mal wieder etwas zum Anpacken.
Ich erinnere mich, dass ich zu jener Zeit noch nicht sehr viel Geld hatte, um monetär zu spenden oder gemeinnützige Arbeiten zu unterstützen. Daher habe ich immer wieder selber angepackt und mit meinem handwerklichen Geschick ausgeholfen.
Vor gut 15 Jahren habe ich dann durch einen Arbeitskollegen erfahren, dass es den Verein AVC Schweiz gibt. Durch seine Erzählungen bin ich neugierig geworden und wollte mehr darüber erfahren.
Jetzt hast du mich neugierig gemacht. Was hat dir dein Arbeitskollege berichtet? Ich vermute, dass diese Erzählungen dich überzeugt haben bei AVC Schweiz aktiv zu werden?
Oh, ich könnte dir sehr viele Geschichten erzählen. Aber ja, lass mich dir einige Anekdoten erzählen.
Mein Kollege erzählte mir, dass ihn eine grössere Firma angerufen und ihm mitgeteilt hat, dass er für gemeinnützige Zwecke 3 Paletten Birnenkonserven abholen könne – sie hätten das Logo leicht verändert und diese Ware sei nun auf dem hiesigen Markt nicht mehr verkaufbar. Als sie kamen, um die Ware abzuholen, stellten sie fest, dass es nicht drei, sondern 33 Paletten waren. Das entspricht ungefähr der Ladung eines 40 Tonnen LKWs.
„Bei AVC überzeugt mich, dass alle Projekte initial von dieser Organisation angezettelt, aber von lokal verankerten Personen durchgeführt werden.“ (Thomas Wälti)
Ein weiteres Beispiel, das mich sehr berührt hat, war das Engagement einer Event-Firma. Über das Jahr fanden so genannte Move-Programme statt, an denen sich Mitarbeitende freiwillige engagieren konnten – eines dieser Programme fand dann in einem Spital eines östlich gelegenen Landes statt. Das Team war von diesem Einsatz so begeistert, dass im Anschluss ein weiteres Team sich in diesem lokalen Spital engagierte – es war um die Weihnachtszeit. Gleichzeitig richtete die Event-Firma einen Weihnachtsanlass in der Schweiz für die dortigen Mitarbeitenden aus und so ergab sich die Idee einer Live-Schaltung. Diese wurde genutzt, um zu Spenden aufzurufen und die Situation vor Ort zu visualisieren.
Mein letztes Beispiel: In der Unternehmung, in der ich arbeite, werden Sozialprogramme angeboten, und ein jeder Mitarbeitende kann sich für ein oder zwei Tage pro Jahr für ein solches engagieren. Ganz egal, ob dieses Engagement in einem Altersheim stattfindet oder man Abfall in der Natur zusammensammelt.
Tja, und so bin ich an immer mehr Informationen gelangt und bin darüber hinaus in Berührung mit Sozialprojekten gekommen.
Bei AVC überzeugt mich, dass alle Projekte initial von dieser Organisation angezettelt, aber von lokal verankerten Personen durchgeführt werden. Beispiel Moldawien: Hier sind es die einheimischen Personen, die sich mit Hilfe von AVC für ihr Land einsetzten. Dadurch ist Transparenz gewährleistet und ich sehe, wo mein gespendeter Franken eingesetzt wird. Dieses Konzept war für mich ausschlaggebend, dass ich mich für AVC aktiv einsetze.
Was motiviert dich neben deinem erfüllten Berufs- und Privatleben noch Freiwilligenarbeit zu leisten?
Ich persönlich bin der Überzeugung, dass wir in der Schweiz in einem sehr gesegneten Land leben dürfen. Somit haben wir freie Kapazitäten, die wir einsetzen können, ohne dass es uns an etwas mangelt. Die einen setzten sich lokal im Turnverein ein, die anderen in der Gassenküche oder man unterstützt den betagten Nachbarn beim Einkaufen usw.
Aktuell sind wir meines Erachtens in einer Zeit, in der wir via Freiwilligenarbeit sehr viel erreichen können. Ich habe mich für AVC entschieden. Davor hatte ich mich etliche Jahre für die Jugendarbeit in Biel/Bienne engagiert. Und du, engagierst du dich auch ehrenamtlich?
Uff, nicht im klassischen Sinne, um ehrlich zu sein. Politisch bin ich engagiert, um mich für ein nachhaltiges Morgen für Mensch und Natur einzusetzen. Aber konkrete Sozialeinsätze, so wie du sie schilderst, leiste ich nicht.
Aber erzähl mir, was war für dich das prägendste Ereignis, das du bei AVC Schweiz erlebt hast?
Für das prägendste Ereignis gibt’s zwei Bausteine, die mich verändert haben. Auf der einen Seite ist es der Zusammenschluss von mehreren Personen, die für das Gleiche einstehen und so Veränderungen herbeiführen können. Auf der anderen Seite stelle ich immer den Menschen in den Mittelpunkt. Mehrere Situationen, die ich dank AVC erleben durften, haben mich diese Haltung fest verinnerlichen lassen.
Auch hier wieder ein Beispiel: Wir besuchten im Jahr 2019 ein moldawisches Frauengefängnis, um Weihnachtspäckli zu verteilen. Du fragst dich jetzt bestimmt, warum ein Gefängnis? Ganz einfach, man erkennt den Menschen ohne seine Tat und will ihm einfach ein Stück Hoffnung weitergeben.
Prägen dich deine Einsätze nachhaltig und machen dich nachdenklich?
Ja, diese Einsätze verändern mich. So mache ich mir immer wieder Gedanken, ob ich etwas, das ich nicht mehr benötige, vielleicht für einen anderen Menschen noch von Nutzen sein könnte. Sprich ich haben den Wunsch das für mich „nutzlos“ gewordene zu verschenken und nicht zu verkaufen.
„Warum geht man in ein Gefängnis? Ganz einfach, man erkennt den Menschen ohne seine Tat und will ihm einfach ein Stück Hoffnung weitergeben.“ (Thomas Wälti)
Im Wissen, dass mein Geschenk wertvoll für jemanden ist, der nicht so viele materielle Dinge hat, wie wir. Nachdenklicher werde ich nicht im klassischen Sinn. Ich mache mir Gedanken was ich noch mehr tun könnte, um solche Werke wie AVC zu unterstützten. Aktuell frage ich mich zum Beispiel, warum man erfolgreich via Facebook Menschen motivieren kann ein „Tanz dich Frei“-Event einzuberufen; man aber kaum Zeit hat, dem eigenen Nachbarn mal eine Suppe zu kochen…
Wie du vorhin berichtet hast, wolltest du dir im Winter 2019 in Moldawien ein Bild vor Ort machen, wie die Hilfe aus der Schweiz ankommt und die Menschen dort kennenlernen. Erzähl meiner Leserschaft doch bitte von diesem Einsatz.
Ich bin mit meiner Tochter und 16 weiteren Personen im Dezember 2019 nach Moldawien geflogen, um vor Ort bei der Verteilung der Weihnachtspäckli zu helfen. Wir haben jeden Tag die Fahrzeuge mit den Päckchen gefüllt und verteilten diese in der Bevölkerung.
In dieser Woche erlebten wir auf der Gefühlsebene eine regelrechte Ohnmacht: Nur 1’000 Km von uns zuhause weg sahen wir tragische Geschichten: Kinder wachsen bei den Grosseltern auf, weil ihre Eltern sich regelrecht aus dem Staub gemacht haben, um irgendwo auf der Welt eine neue Familie zu gründen und ihren zurückgebliebenen Kindern kein Unterstützungsgeld schicken.
„In dieser Woche erlebten wir auf der Gefühlsebene eine regelrechte Ohnmacht. Nur 1’000 Km von uns zuhause weg sahen wir tragische Geschichten.“ (Thomas Wälti)
Oder alleinerziehende Mütter, die keine Arbeit haben, von ihrem Mann verlassen wurden und irgendwie versuchen ihre Kinder zu ernähren. Aber auch behinderte Menschen, die keine soziale Absicherung haben und nicht wissen, wo sie bleiben sollen. Und diese Menschen hausen in Lehmhäusern, das ist kein Witz, die zu Zeiten der goldenen Sowjetzeit gebaut wurden. Du kannst dir vorstellen, dass diese Bauten schlecht isoliert sind und bei Regen die Feuchtigkeit durchdrückt. Ganz schlimm…
Das Berührende ist, dass diese Menschen stets sehr dankbar sind, wenn sie mit uns in Kontakt stehen. Auch das Leuchten in den Augen geht ans Herz. Sie können teilweise nicht verstehen, warum sich Einheimische als auch Fremde aufmachen, sie materiell zu unterstützen und zu beschenken.
Absolut genial zu sehen ist, dass sich Menschen, die von AVC unterstützt wurden, selber aufmachen und sich dieser guten Tat anschliessen und helfen, andere zu beschenken: Immer wieder sah man zum Beispiel aufgeräumte Orte, Menschen, die strahlten und sich plötzlich selber einsetzten für Kinder im Dorf einen Mittagstisch auszurichten. Vorleben, erleben, weiter geben…
Mit welchen Gedanken bist du in die wohlhabende Schweiz zurückgeflogen?
Ich bin privilegiert in der Schweiz zu leben! Meine Gedanken kreisten um die Frage, wie es mir gelingt mein persönliches Umfeld zu begeistern, damit wir gemeinsam zusammenstehen, metaphorisch gesprochen ein paar Schritte gemeinsam gehen und nachhaltig etwas verändern können.
„Wer weiss, plötzlich sitzen wir im Dezember 2021 zusammen im Flieger, um gemeinsam in einem Behindertenheim in Moldawien Weihnachtspäckli zu verteilen.“ (Thomas Wälti)
Was möchtest du auf Basis deiner prägenden Begegnungen mit Menschen in Not meiner Leserschaft noch auf den Weg geben?
Frage dich, wo du dich einsetzten kannst, um etwas zu verändern. Es gibt so viele kleine Dinge, um bereits etwas Positives zu bewirken.
Oder melde dich bei mir und ich erzähle dir noch mehr von AVC und wer weiss, plötzlich sitzen wir im Dezember 2021 zusammen im Flieger, um gemeinsam in einem Behindertenheim in Moldawien Weihnachtspäckli zu verteilen. Oder wir stehen gemeinsam in Safnern in der Halle von AVC und füllen ein paar 100 Päckli von den 116’000 Stück, die für diese Weihnachten erstellt worden sind. Bist du bereit….?
Vielen Dank, lieber Thomas, dass du mich mit deinen Erzählungen auf diese berührende Reise mitgenommen hast. Und wer weiss, vielleicht unterstütze ich dich und AVC tatsächlich beim Packen oder Verteilen von Weihnachtspäckli. Wir bleiben auf jeden Fall zu diesem Projekt in Kontakt!
Neugierig auf mehr?
Informationen zu AVC Schweiz
Filme von Aktionen „Weihnachtspäckli verteilen in osteuropäischen Ländern“.