Ein Kaffee mit Sandro Brotz, SRF Journalist & Moderator der „Arena“
Sandro Brotz (Bild: Simone Jacober)
Es ist ein Montagabend, an welchem ich Sandro Brotz im Bistro Perron 9 in Zürich Oerlikon treffe.
Es ist ziemlich laut in der Lokalität und so organisiert der grossgewachsene Moderator kurzerhand das gemütliche „Piano Stübli“ gleich neben dem gut besuchten Café. Der Geräuschpegel ist fast nur noch Hintergrundgemurmel; perfekte Atmosphäre, um dem bekannten Arena-Moderator entspannt gegenüber zu sitzen und zunächst locker über Weihnachten, Ferien und die Rückkehr in den Alltag zu plaudern.
Alsbald schalte ich freudig mein Aufnahmegerät ein und beginne Sandro meine Fragen zu stellen.
Wenn du persönlich in der Arena ausführen müsstest, was Nachhaltigkeit für dich bedeutet, was wäre deine Antwort?
Eine fiktive Frage, da ich ja Moderator dieser Sendung und auch parteilos bin. Aber Nachhaltigkeit war und ist mir lange bevor es zu einem Modewort wurde, ein Anliegen. Es geht für mich über die politische Diskussion hinaus und ist für unser Leben sowie für die Welt ein grosses Thema.
Was tust du persönlich für den Umweltschutz?
Da unterscheide ich mich wohl kaum von den meisten Schweizerinnen und Schweizern: Ich trenne den Abfall, benutze möglichst wenig Plastiksäcke beim Einkaufen und ich fahre kein Auto – wobei ich hier zugeben muss, dass es wohl für alle Verkehrsteilnehmenden besser ist, dass ich nicht fahre, da es mir nicht so liegt (schmunzelt).
Ich bin sehr gerne mit dem öffentlichen Verkehr und meinem Velo unterwegs und würde ein Auto in der Region Zürich auch gar nicht brauchen.
Zudem versuche ich auch meine Flugreisen vorausschauend zu planen und zu minimieren – das gelingt mir mal besser, mal weniger gut. Ich kaufe mein Ticket aber immer mit dem Zuschlag der CO2-Abgabe.
„Bildung ist unser höchstes Gut, zu dem wir Sorge halten müssen.“ (Sandro Brotz)
Ich habe einige Beiträge von dir an Bildungsmessen gesehen, in denen du jungen Menschen Red‘ und Antwort stehst. Warum engagierst du dich so stark für Bildung?
Ich erhalte relativ viele Anfragen für Podien, Ausstellungen und anderweitige Anlässe. Ich gehe sehr selektiv vor und engagiere mich ausschliesslich für Themen, die mir persönlich auch ein Anliegen sind. Bildung ist unser höchstes Gut, zu dem wir Sorge halten müssen. An solch einem Anlass erinnere ich mich immer wieder an mich als Jugendlicher, der sich für eine berufliche Laufbahn entscheiden musste – ein ziemlich schwieriger Entscheid in diesem Alter.
Ich finde Berufsmessen eine ganz tolle Sache; insbesondere, dass Jugendliche solche Anlässe nutzen und sich aktiv informieren. Ich erzähle dann gerne, wie ich damals selbst vorgegangen bin.
Ich habe das KV absolviert und ich weiss, was es heisst, eine Lehrstelle zu finden und seinen Weg zu beschreiten.
Ich habe gelesen, dass du bei deiner Lehrstellensuche sehr hartnäckig warst, weil du unbedingt zu einer Zeitung wolltest – das war sicherlich auch prägend, oder?
Ja klar! Insbesondere, weil mir oft gesagt wurde, dass ich ohne einen akademischen Hintergrund eher Schwierigkeiten haben würde Fuss im Journalismus zu fassen. Aber interessanterweise hat mich dies eher angespornt als abgeschreckt, weil es mir eine Herzensangelegenheit war – ich wollte Journalist werden. Diese Botschaft gebe ich heute den Jugendlichen an den Berufsmessen weiter: Wenn du dich für eine Richtung interessierst, dann bleib dran und gib nicht auf. Wichtig ist ja auch zu wissen, dass man heute nicht sein ganzes Berufsleben lang den gleichen Job ausübt – Stichwort Digitalisierung.
„Ich wollte immer selber verstehen, warum etwas so ist, wie es ist.“ (Sandro Brotz)
Jetzt muss ich aber nochmals etwas nachfassen: woher kam denn dieser klare Wunsch Journalist zu werden?
Ich wollte immer selber verstehen, warum etwas so ist, wie es ist. Ich habe als Jugendlicher den „Spiegel“, den mein deutschstämmiger Vater abonniert hatte, regelrecht verschlungen. Das war damals mein Tor zur Welt der Politik, zu fremden Ländern. Aber auch meine unmittelbare Umgebung hat mich geprägt: Ich bin in Zürich Oerlikon aufgewachsen, nicht weit von hier, und der Schweizer Schriftsteller Franz Hohler wohnte quasi um die Ecke in einem sehr speziellen Haus mit einem verwunschenen Garten. Ich habe damals immer gehofft, dass ich ihm über den Weg laufe und mich mit ihm in eben diesem verwunschenen Garten über seine Bücher unterhalten könnte. Über 25 Jahre später habe ich ihn dann tatsächlich in seinem Garten zu einem Interview getroffen und konnte ihm all die Fragen, die ich als Kind hatte, stellen. Das war eine Art Zeitreise zurück in meine Jugend.
Steht in diesem Jahr eine Weiterbildung an?
Oh, noch so gerne – doch die Zeit fehlt im Moment. Im letzten Jahr habe ich einen vierwöchigen Bildungsurlaub in Canterbury gemacht und habe mein Englisch wieder auf Trab gebracht. Beim SRF unterstütze ich angehende Journalisten und Journalistinnen zum Beispiel bei der Ausbildung in der Interview-Technik. Es ist schön, Wissen weitergeben zu können.
Wenn ich aber einen Wunsch äussern darf, so würde ich gerne Italienisch lernen. Das wäre super!
…aber ich dachte, du hättest Tessiner Wurzeln?
Tja, das ist ja das Paradox (lacht). Meine Grosseltern stammen aus dem Tessin, korrekt. Meine Eltern sind jedoch ein Jahr nach meiner Geburt von Mendrisio weg in die Deutschschweiz gezogen und haben leider nie mit mir Italienisch gesprochen.
Doch das Privileg meines Jobs ist, dass ich mich jede Woche mit neuen Themen auseinandersetzen darf, mich einlesen und mit vielen Menschen sprechen kann. Mein Credo lautet, dass man nicht alles wissen muss, aber wissen sollte, wer eine gute Informationsquelle sein könnte, damit man die Wissenslücken schliessen kann. Ich habe mir über die Zeit ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut und kann gezielt auf Leute zugehen, wenn ich beispielsweise etwas über Religionswissenschaften oder Wirtschaftsfragen in Erfahrung bringen möchte. Aber auch privat habe ich Menschen als verlässliche Beraterinnen und Berater um mich.
Ich möchte nun gerne von den offizielleren Themen wegschwenken und den Scheinwerfer auf dich lenken. Wenn du das Rad der Zeit nochmals zurückdrehen könntest, was würdest du ändern und was definitiv nicht?
An mir selber? (denkt nach) Jeder Mensch hat wohl seinen Rucksack zu tragen. Vielleicht hatte ich in der Vergangenheit zu wenig Zeit für andere Menschen, habe zu viel gearbeitet oder habe mich zu wenig um etwas bemüht.
„Ich lebe stark im Hier und Jetzt und blicke gerne nach vorne.“ (Sandro Brotz)
Das sind sicherlich Aspekte, was ich mir privat etwas vorhalten muss. Aber man lernt ja auch aus solchen Situationen und Momenten. Ich lebe jedoch nicht rückwärtsgerichtet. Darum ist das mit dem Rad zurückdrehen eine schöne, aber illusorische Vorstellung. Ich lebe stark im Hier und Jetzt und blicke gerne nach vorne.
Man kennt dich als toughen, konzentrierten und pointierten Moderator. Wie beschreibst du dich privat, wen die Kamera ausgeschaltet ist?
(Lacht) Hmmm, ich glaube, da müsstest du Menschen fragen, die mich aus Zeiten kennen, als ich noch nicht vor der Kamera stand. Ich meine, dass ich mich nicht gross verändert habe, weil ich eine quasi-öffentliche Person geworden bin. Natürlich prägt dieser Umstand. Ich habe vermutlich ein grösseres gesundes Misstrauen entwickelt. Dies aus dem Grund, da nicht immer ersichtlich ist, warum jemand auf mich zukommt: geht es wirklich um mich als Person oder um mich in meiner öffentlichen Rolle? Der Austausch mit dem Publikum ist mir jedoch sehr wichtig – das geschieht täglich und motiviert auch für meine Arbeit, die ohne ein grandioses Team im Hintergrund nicht möglich wäre.
„Der Austausch mit dem Publikum ist mir sehr wichtig.“ (Sandro Brotz)
Ich bezeichne mich als einen harmoniebedürftigen Menschen. Wenn ich rund um die Uhr wäre, wie damals, als ich noch die „Rundschau“ moderiert habe, dann wäre es wohl für mein Umfeld äusserst schwierig geworden. Das ginge definitiv nicht (lacht). Ich diskutiere unglaublich gerne…
…und du liest auch sehr gerne?
…ja, ich versuche es. Aber halt mehr die tagesaktuellen Medien. Ich habe zu Hause einen Stapel Bücher liegen, um diese zu lesen, finde ich aber momentan aus Zeitgründen leider keine Musse.
Kürzlich habe ich einen Beitrag gesehen, in welchem du in einem informellen Rahmen mit Gästen über das Thema Glück gesprochen hast. Dieser Beitrag hat mich sehr berührt, da unter anderem ein Verkäufer des Strassenmagazins „Surprise“ zugegen war. Deshalb möchte ich nun von dir wissen, was dir Glück bedeutet und was dich im Alltag glücklich macht?
(Überlegt) Den Strassenverkäufer des Magazins „Surprise“ habe ich in einem anderen Rahmen kennengelernt, als er zum Jubiläum des Magazins gesprochen hat. Ich wusste in diesem Moment, dass ich ihn unbedingt für ein Gespräch einladen wollte, damit meine Gäste und Zuschauer seine persönliche Geschichte erfahren. Und natürlich setzt sich dieser Mann ganz anders mit dem Thema Glück auseinander, als wir es wohl tun würden.
Darum ist Glück wahrscheinlich etwas anderes für dich, für mich oder eben den Strassenmagazinverkäufer. Für mich bedeutet Glück, wenn ich für andere Menschen da sein kann, wenn es meinem Umfeld gut geht. Gute Diskussionen. Oder wenn ich auf einen See blicken kann – dann bin ich glücklich. Und das merke ich auch. Solche Momente des Glücks sind mir wichtig.
Beruflich empfinde ich Glück etwas anders – ich habe Freude, wenn mir und dem Team eine Sendung geglückt ist. Glück ist etwas sehr Intimes und Privates und hat für mich etwas mit dem Herz zu tun: berührt etwas oder jemand mein Herz, empfinde ich Glück.
„Für mich bedeutet Glück, wenn ich für andere Menschen da sein kann, wenn es meinem Umfeld gut geht. Gute Diskussionen.“ (Sandro Brotz)
Meine abschliessende Frage ist sehr spontan während unseres Gesprächs entstanden: Du sprachst von Büchern, die du im Moment aus Zeitgründen nicht lesen kannst. Welches Buch liegt zuoberst auf deinem Nachttisch?
Ernest Hemingway – „Paris“ Es war ein Geschenk. Die Person, die mir das Buch schenkte, meinte, ich solle es lesen, wenn ich mehr von der Leichtigkeit des Seins verstehen möchte. (lächelt)
Wenn du es gelesen hast, freue ich mich von dir darüber zu hören. In diesem Sinne danke ich dir sehr herzlich für deine Zeit, die du mir geschenkt hast, Sandro!
Gerne! Und danke dir für das Gespräch.
Zur Person
Sandro Brotz ist Schweizer Journalist und Fernsehmoderator. Von 2012 bis 2019 moderierte er die „Rundschau„, eine Politik- & Wirtschaftssendung des Schweizer Radio und Fernsehen, SRF. Seit Mai 2019 ist er Gastgeber und Moderator der SRF Diskussionssendung „Arena„, die mit geladenen Gästen zu aktuellen wirtschaftlichen, innen- und gesellschaftspolitischen Themen Stellung bezieht.