Die 17 Ziele (SDG’s) für nachhaltige Entwicklung, sind politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen, die auf ökonomischer, ökologischer sowie sozialer Ebene fussen und weltweit bis 2030 umgesetzt werden sollen. Wie sich diese Ziele künstlerisch umsetzen lassen und mit welchen Botschaften die zeitgenössische Kunst auf die Wichtigkeit dieser Zielsetzung hinweist, soll Gegenstand dieses Interviews mit Roy Hofer sein.
S. Mayer: Du wirst sicherlich häufiger gefragt, was es mit dem künstlerischen Nachhaltigkeitsprojekt SEED 2.0 auf sich hat. Kannst du es bitte erklären?
R. Hofer: Nachhaltigkeit ist heutzutage in aller Munde. Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken habe ich mich im Jahr 2020 vertieft beschäftigt, als ich in Japan war – Corona wurde gerade Thema, und ich hatte etwas mehr Zeit zum Nachdenken. So hielt ich inne und reflektierte mich, meine Familie und habe mir Überlegungen zur Umwelt gemacht. Ebenso dachte ich über mein künstlerisches Schaffen nach – vielleicht war es auch ein Midlife-Thema, denn ich wurde damals 44 – was möchte ich in den nächsten 44 Jahren noch machen? Was ist mit meinem Kind? Wie soll es aufwachsen?
Im Zuge dieser Überlegungen bin ich auf die 17 Ziele der Vereinten Nationen aufmerksam geworden. So wuchs das Projekt, dass man diese 17 SDGs zum künstlerischen Ausdruck auf ganz individuelle, persönliche Weise zum Ausdruck bringen kann.
Eigenverantwortliches, künstlerisches Umsetzen ist auch nachhaltig
Ich wollte mit meinem Netzwerk, das aus internationalen Künstlern besteht, eine Kunstausstellung ins Leben rufen. Wie die Kunstschaffenden eines der 17 Ziele präsentieren, sollte ihnen überlassen sein. Meines Erachtens ist das auch schon nachhaltig, wenn ich als Organisator Menschen zusammenbringe, aber das Individuum frei wählen kann, wie das Kunstwerk thematisch umgesetzt werden kann. Manche hatten Mühe sich auf diese offene Interpretation einzulassen, andere fanden die Idee von Anfang an cool.
Schlussendlich konnte ich aber alle Kunstschaffenden für das Projekt gewinnen. Eines der 17 Ziele lautet übrigens Kommunikation zwischen den Kulturen – das ist meine Aufgabe – Kommunikation zwischen den Kunstschaffenden und sicherstellen, dass wir in 6 Ländern (Ungarn, Polen, Taiwan, Japan, Deutschland, Schweiz) und 8 KünstlernInnen innerhalb dieses Jahres bedeutungsvolle Ausstellungen inszenieren können.
S. Mayer: Du hast es bereits angedeutet. Fungierst du als Kurator für SEED 2.0?
R. Hofer: Ja, zum Teil. Es sind fünf Ausstellungsorte. Jeder Ort hat seinen eigenen Kurator. Ich bin für Rheinfelden Co-Kurator und auch zuständig für die Gesamtkoordination. Zudem mache ich auch die Grafik und einen Teil Marketing und Kommunikation. Dabei arbeite ich mit der Baslerin Nadja Borer zusammen. Sie ist Co-Kuratorin und Fundraiserin für das Projekt in Rheinfelden, sowie für einen Teil der Kommunikation zuständig und leistet hier einen wichtigen Beitrag.
S. Mayer: Mit welchen kommunikativen Massnahmen werbt ihr für das Projekt? Im September ist ja die Schlussausstellung hier in Rheinfelden auf der Badischen Seite, richtig?
R. Hofer: Genau. Social-Media-Kanäle sind natürlich heutzutage unverzichtbar. In Taiwan berichtet zum Beispiel eine Radiostation über SEED 2.0. In Rheinfelden konnten wir die lokalen Printmedien engagieren. Und natürlich bist auch du mit deinem Blog eine Multiplikatorin des Projektes SEED 2.0. Zudem haben wir Plakatflächen gebucht und werden auch Flyer verschicken bzw. auflegen. Wir machen diese Art der Ausstellung zum ersten Mal. Wer weiss, vielleicht kommt ja noch ein TV-Sender spontan dazu. Was genau noch alles kommt, weiss ich per Dato noch nicht genau.
S. Mayer: Du bist interkulturell in Asien und Europa unterwegs – wie erlebst du den künstlerischen Ausdruck zum Thema Nachhaltigkeit jeweils vor Ort?
R. Hofer: Ähnlich wie hier. Pauschalisieren lässt sich diese Antwort nicht. Die Kunstschaffenden, die ich in Asien getroffen habe, sind sehr genau. Das heisst aber überhaupt nicht, dass die Europäer ungenauer sind (schmunzelt); es kommt auch immer darauf an, mit welchem Medium gearbeitet wird.
„Wir haben sehr hochstehende Kunst.“
Roy Hofer
Meine Frau ist Japanerin. Darum vergleiche ich die japanische Kultur mit derjenigen der Schweiz. Wir sind relativ arm an Bodenschätzen, durch das musste etwas kreiert und am Markt verkauft werden. Dadurch haben die Japaner sehr gute Produkte hergestellt, wie die Schweizer auch. Und das spiegelt sich meines Erachtens auch im künstlerischen Ausdruck – wir haben sehr hochstehende Kunst.
S. Mayer: Darf ich trotzdem nochmals nachfassen? Setzt zum Beispiel ein japanischer Künstler einen anderen Fokus als ein Schweizer Künstler, wie das Thema Nachhaltigkeit aus seinem jeweiligen kulturellen Aspekt interpretiert wird?
R. Hofer: Das kann man ebenfalls nicht pauschalisieren. Ich kenne hier zwei japanische Künstler, Akira Sakashita und Yuka Numata. Akira arbeitet zum Beispiel mit Abfall, den er auf der Strasse findet. Jeden Tag, wenn er in sein Atelier läuft, sammelt er alles auf, was Passanten haben fallen lassen. Diesen Abfall lässt er auf eine hochspannende Weise in seine Tonfiguren einfliessen: Mittels eines Abdrucks des Gegenstands in den Ton, ergeben sich interessante Muster auf der Tonfigur. Wenn man die Skulptur betrachtet, ähnelt sie eher einem alt ehrwürdigen ägyptischen Kunstwerk, denn eines modernen, zeitgenössischen. Und dennoch schafft es Akira mittels dieses künstlerischen Ausdrucks der modernen Bevölkerung den Spiegel vor Augen zu halten.
Als Künstler den Finger auf den wunden Punkt legen
Yuka arbeitet mit Plastikkugeln – weisst du diejenigen, die man in einem Kinderladen kaufen kann. Sie macht riesige Bilder daraus. Plastik ist eigentlich in Ungnade gefallen. Sie interpretiert dieses Material neu. Stell dir ein gemaltes Bild vor, dass wie ein Computerbild in einzelne Pixel zerlegt wird. Jedes Plastikkügelchen entspricht einem Pixel. Zusammen ergibt sich wieder ein ganzes Bild. Yuka bedient sich Sujets aus der Kunstgeschichte – wie zum Beispiel der Mona Lisa von Leonardo Da Vinci. Als Künstlerin darf sie sich erlauben zu provozieren oder auch zum Nachdenken anzuregen – in diesem Fall Plastik und Nachhaltigkeit, wie passt das zusammen? Etwas zynisch darf man sein, oder den Finger auf den wunden Punkt legen. Es wird ein Moment des Nachdenkens kreiert – das finde ich sehr spannend.
S. Mayer: Ich könnte dir jetzt noch zahlreiche Anschlussfragen stellen. Doch möchte ich dich an dieser Stelle bitten, eine persönliche Botschaft an meine Lesenden zu schicken.
R. Hofer: Bleibt Kind. Egal, woran man ist oder an was man arbeitet. Bleibt spielerisch. Wir werden aus diesem Anlass auch ein Projekt mit Kindern zum Thema Nachhaltigkeit auf die Beine stellen, um eben auch die Erwachsenen wieder zu sensibilisieren, die Welt durch die kindliche Brille zu sehen. Derart kann man auf spielerische Art und Weise neue Impulse setzen und um auf unser Hauptthema zurückzukommen, auch das Thema Nachhaltigkeit kann auf unkonventionelle Weise vielleicht andersartig oder gar neu interpretiert werden.
S. Mayer: Ich danke dir sehr herzlich für deine Zeit und das Gespräch!